Wie lange müssen eigentlich Dokumente aufbewahrt werden?
Jeder kennt diese Situation. Ob Aktenberge, alte Rechnungen, Bankunterlagen oder Steuererklärungen. Wer sich nicht gerade erst vor wenigen Jahren selbständig gemacht hat, muss irgendwann entscheiden, wie mit alten Dokmenten zu verfahren ist, die – zumindest auf den ersten Blick – nicht mehr benötigt werden.
Es stellt sich dann die Frage nach den gesetzlichen aber auch nach der zweckdienlichen Aufbewahrungspflicht bzw. Aufbewahrungspflichten, denn es gibt gleich mehrere zu berücksichtigen.
Wichtig sind vor diesem Hintergrund acht Regelungsbereiche. Diese erstrecken sich von gesellschaftsrechtlichen und handelsregisterrechtlichen Anforderungen, über steuerrechtliche Verjährungsfristen und allgemeine zivilrechtliche Verjährungsfristen bis hin zu strafrechtlichen Verjährungsproblematiken.
Im Ergebnis lässt sich sagen, dass man sämtliche Unterlagen mindestens zehn Jahre, und im Idealfall 30 Jahre lang aufheben sollte.
I.) Buchführungunterlagen
Das spanische Handelsgesetzbuch unterscheidet zwischen den eigentlichen Handels- und Geschäftsbüchern und den begleitenden Berichten oder nachgeordneten Dokumenten. Im Allgemeinen gilt aber als Faustregeln die Vorschrift des Artikels 30 des Código de Comercio, wonach praktisch sämtliche Geschäftsunterlagen mindestens sechs Jahre konserviert werden müssen.
So muss das Inventar- oder Bestandsbuch bzw. das Kostenjournal (Libro Diario), aber auch das Konto- und Rechnungsbuch mit den Jahresabschlüssen (Libro de Inventario y Cuentas Anuales) während der gesamten Existenz der Gesellschaft und mindestens sechs Jahre nach Auflösung und Abwicklung derselben (gezählt ab der letzten Eintragung in die jeweiligen Bücher) aufbewahrt werden.
Die Jahresabschlüsse, einschließlich der Gewinn- und Verlustrechnungen und der Bilanzen, wie auch die Geschäftsberichte und Wirtschaftsprüfungsberichte und die Berichte und Stellungnahmen des Geschäftsführers und des gegebenenfalls einberufenen Verwaltungsrats, müssen mindestens sechs Jahre lang aufgehoben werden. Der Vollständigkeit halber, und angesichts der im vorangegangenen Absatz beschriebenen Vorgaben, muss aber geraten werden auch diese Unterlagen bis mindestens sechs Jahre nach Abwicklung der Gesellschaft aufzubewahren.
II.) Gesellschaftsrechtlich relevante Dokumente
Die zum Nachweis des Inhalts der Gesellschafter- und gegebenenfalls Verwaltungsratsversammlungen geführte Protokollbücher (Libro de Actas de la Junta General y del Consejo de Administración), die Aktionärsbücher im Falle einer Aktiengesellschaft (Libro de Acciones Nominativas / Sociedad Anónima), das Gesellschafterverzeichnis im Falle einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Libro de Registro de Participaciones / Socios / Sociedad Limitada), das Verzeichnis der zwischen der Gesellschaft und dem Einzelgesellschafter bestehenden Verträge (Libro de Registro de Contratos entre la Sociedad y el Socio Único), sowie weitere Bücher mit gesellschaftsrechtlichem Bezug, sind während des Bestehens der Gesellschaft und darüber hinaus weitere sechs Jahre aufzubewahren.
Die im Zusammenhang mit der Gesellschaft entstandenen öffentlichen Urkunden, wie beispielsweise die Gründungsurkunde, Satzungsänderungen, beurkundete Gesellschafterbeschlüsse, Erteilung und Rücknahme von Vollmachten, Käufe von Beteiligungen (Sociedad Limitada) oder Aktien (Sociedad Anónima), Immobilienkäufe, beurkundete Käufe beweglicher Vermögensgegenstände, Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft, und ähnliche Dokumente sind einerseits – aus rein gesellschaftsrechtlicher Perspektive – während des Bestehens der Gesellschaft und bis zu deren Auflösung und Abwicklung, sowie darüber hinaus mindestens während weiterer sechs Jahre vorrätig zu halten, und andererseits aus vertragsrechtlicher bzw. zivilrechtlicher Perspektive solange zu konservieren, wie sich aus den Vertragsverhältnissen Ansprüche ableiten können. Angesichts der Tatsache, dass die allgemeinen vertragsrechtlichen Ansprüche, welche keiner besonderen Verjährungsfrist unterliegen, nach 5 Jahren verjähren (ursprünglich waren dies 15 Jahre, seit der Reform des Jahres 2015, aber nunmehr 5 Jahre [man beachte aber die einschlägigen Übergangsregelungen]), daneben aber auch eine 20jährige Verjährungsfrist bezüglich der Ansprüche des Hypothekengläubigers und eine 30jährige Verjährungsfrist in Bezug auf sachenrechtliche Ansprüche an Immobilien existiert, sollte unter diesem Aspekt auch über die gesellschaftsrechtliche Frist von mindestens sechs Jahren hinaus, jedes relevante Dokument aufgehoben werden.
Die gleichen Regeln gelten im Grunde genommen auch für die privatschriftlichen Unterlagen mit gesellschaftsrechtlichem Bezug. Auch diese müssen sechs Jahre über das Bestehen der Gesellschaft hinaus verwahrt werden. Nach Möglichkeit unter zusätzlicher Beachtung der bis zu 30jährigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist, um gegebenenfalls zivilrechtlichen Ansprüchen in geeigneter Weise entgegentreten zu können, bzw. selbst im Stande zu sein, einen solchen Anspruch durchzusetzen.
III.) Geschäftliche Unterlagen
Gemäß Artikel 30 des spanischen Handelsgesetzbuches hat ein Unternehmer neben den Geschäftsbüchern, auch die Korrespondenz, Rechnungen, Lieferscheine, usw. in geordneter Weise, mindestens sechs Jahre über die letzte, in das jeweilige Buch vorgenommene Eintragung hinaus, aufzubewahren, wenn nicht Sondervorschriften eine andere Zeitspanne bezeichnen.
Verträge mit Lieferanten, Kunden, Transportunternehmen, Mietern, Vermietern, etc. wie auch Prospekte, Kataloge, Werbemassahmen usw. sind deshalb auch mindestens die besagten sechs Jahre zu konservieren.
Auch hier gilt jedoch der Rat, mit Blick auf gegebenenfalls durchzusetzende zivilrechtliche Ansprüche, in Abhängigkeit der konkreten Besonderheiten, auch die zivilrechtlichen Verjährungsfristen von bis zu 30 Jahren zu berücksichtigen, und im Zweifel die Unterlagen ebenso lang aufzubewahren.
IV.) Steuern und Finanzamt
Die allgemeine steuerliche Verjährungsfrist beläuft sich in Spanien auf 4 Jahre. Die Frist beginnt mit Ablauf des letzten Tages, an welchem die Steuer fristgerecht erklärt und gleistet werden konnte. Durch verfristete Erklärungen und Zahlungen, sowie durch Überprüfungen Seitens des Finanzamts wird diese Frist oftmals unterbrochen.
Sämtliche steuerrelevanten Dokumente sind deshalb mindestens bis vier Jahre nach Beendigung der Abgabefrist aufzubewahren. Kam es zu einer Unterbrechung der Verjährung entsprechend länger, d.h. vier Jahre nach Abschluß des Steuerprüfungsverfahrens oder der verspäteten Abgabe der Erklärung.
Da z.B. die Körperschaftsteuer im Juli des auf das abgeschlossene Geschäftsjahr endenden Jahres zu erklären ist, würde beispielsweise ein steuerlich relevantes Ereignis, welches im Mai 2015 eintrat, erst in der Steuererklärung des Jahres 2015, welche im Juli 2016 abzugeben war, berücksichtigt.
Da die ordentliche Verjährung damit erst am 1. August 2020 eintritt (wenn sie nicht unterbrochen wird), können zwischen dem steuerlich relevanten Ereignis und seiner Verjährung über fünf Jahre liegen.
Angesichts der sich aus fehlerhaften Steuererklärungen gegebenenfalls ableitenden strafrechtlichen Konsequenzen, sei aber darauf hingewiesen, dass alle steuerlich relevanten Dokumente sicherheitshalber mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden sollten.
Die Verordnung EHA/962/2007, vom 10. April sieht deshalb die Möglichkeit vor, beispielsweise Rechnungen, durch qualifizierte Dienstleister, digital erfassen und mit einer ebensolchen Unterschrift versehen zu lassen, um im Anschluß lediglich eine elektronische Kopie zu verwahren und das Originaldokument zerstören zu lassen.
Als wichtige Neuerung aus dem Jahre 2015 sei noch hervorgehoben, dass das Finanzamt nunmehr zehn Jahre lang die Verlustvorträge überprüfen kann, weshalb abgesehen von der allgemeinen 4-jährigen Verjährung auf diesem Wege eine deutliche Verlängerung der Kontrollmöglichkeiten und damit auch eine verlängerte Pflicht zur Aufbewahrung der entsprechenden Dokumente verbunden ist.
Da es weiterhin möglich ist, bis zu 18 Jahre lang solche Verlustvorträge geltend zu machen, wird auch eine mögliche Überprüfung zeitlich ausgeweitet.
Das gleiche Prinzip ist auf Amortisierungen anwendbar. Solange man eine Investition amortisiert, muss natürlich auch die entsprechende Dokumentation aufbewahrt werden.
V.) Strafbarkeit
Bei strafbewehrter Steuerhinterziehung aber auch bei unterlassenen Zahlungen an die Sozialversicherung beläuft sich die ordentliche Verjährung auf fünf bzw. zehn Jahre. Um jedes steuerlich und sozialversciherungstechnisch relevante Ereignis entsprechend dokumentieren zu können, muss daher dazu geraten werden solcherlei Unterlagen mindestens zehn Jahre aufzubewahren.
Da auch die Verjährung von Urkundsdelikten, Unterschlagungen und Betrug – den häufigsten im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit vorkommenden Straftatbeständen – regelmäßig nach spätestens zehn Jahren eintritt, sollte auch im
Hinblick hierauf, die erforderliche Dokumentation konserviert werden.
Die umfangreichen Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche und des Terrorismus führen ebenfalls dazu, dass alle wirtschaftlich relevanten Informationen mindestens während zehn Jahren zu verwahren sind.
Aus strafrechtlicher Perspektive empfiehlt sich daher aus mehrere Hinsicht eine Aufbewahrung von mindestens zehn Jahren.
VI.) Arbeitsrecht
In Bezug auf die Arbeitsverhältnisse (Arbeitsverträge, Kündigungen, etc.) und mit Blick auf Artikel 4.1 des Königlichen Gesetzes-Dekrets 5/200, vom 4. August, durch welches das Gesetz über Verstösse und Sanktionen im Bereich des Sozialrechts beschlossen wurde (Real Decreto Legislativo 5/2000, de 4 de agosto, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley sobre Infracciones y Sanciones en el Orden Social) sind solcherlei Unterlagen mindestens 3 Jahre aufzubewahren.
Aufgrund der allgemein geltenden gesellschaftsrechtlichen Pflicht, alle das Unternehmen betreffenden Unterlagen mindestens sechs Jahre zu konservieren, und Angesichts der Auswirkungen welche diese Dokumente auch auf anderer Ebene haben können, sollten diese mindestens zehn Jahre verwahrt werden.
VII.) Sozialversicherung
Sozialversicherungsrechtlich ergibt sich aus Artikel 4.2 des Königlichen Gesetzes-Dekrets 5/200, vom 4. August, durch welches das Gesetz über Verstösse und Sanktionen im Bereich des Sozialrechts beschlossen wurde (Real Decreto Legislativo 5/2000, de 4 de agosto, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley sobre Infracciones y Sanciones en el Orden Social) das Erforderniss alle relvanten Dokumente 4 Jahre lang zu bewahren.
Es gelten aber sinngemäß die Ausführungen zum Arbeitsrecht. Aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive bedarf es einer Lagerung während mindestens sechs Jahren. Aufgrund der gegebenenfalls eintretenden Implikationen, sollten die Unterlagen aber mindestens zehn Jahre verwahrt werden.
VIII.) Arbeitschutz
Aus Sicht des Arbeitsschutzes ergibt sich aus Artikel 4.3 des Königlichen Gesetzes-Dekrets 5/200, vom 4. August, durch welches das Gesetz über Verstösse und Sanktionen im Bereich des Sozialrechts beschlossen wurde (Real Decreto Legislativo 5/2000, de 4 de agosto, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley sobre Infracciones y Sanciones en el Orden Social) das Erfordernis alle relevanten Dokumente 5 Jahre lang zu lagern.
Es gelten auch hier sinngemäß die Ausführungen zum Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht bezüglich der gesellschaftsrechtlichen Pflicht einer Verwahrung während einer Dauer von mindestens sechs Jahren.