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Vorzeitiges Verlassen einer Eigentümerversammlung und dessen Folgen

Abogado & RA Ingmar Hessler

Frage: Ich habe letztes Jahr an der Versammlung meiner Eigentümergemeinschaft in Denia teilgenommen. Leider musste ich nach ca. 40 Minuten, und gleich nach dem zweiten Tagesordnungspunkt, fort. Wenige Tage später erfuhr ich von den Beschlüssen, die getroffen wurden, nachdem ich die Versammlung verlassen hatte. Einen dieser Beschlüsse wollte ich anfechten. Nach einem Gespräch mit dem Hausverwalter, erklärte mir dieser aber, dass dies angeblich nicht möglich sei, weil ich an der Versammlung teilgenommen, aber nicht gegen den betreffenden Beschluss gestimmt bzw. keinen Vorbehalt geäußert hätte. Aufgrund meiner Abwesenheit bei diesem Punkt war dies aber doch gar nicht möglich. Kann man tatsächlich so bestraft werden, wenn man nur am Anfang teilgenommen hat?

Antwort: Der Fall liegt eindeutig, wenn Sie entweder überhaupt nicht an der Versammlung partizipiert haben, oder die ganze Zeit anwesend waren. Im ersten Fall würden Sie wie eine abwesende Eigentümerin, und im zweiten Fall wie eine teilnehmende Eigentümerin behandelt. Dies ist einerseits für die Beurteilung Ihres Abstimmungsverhaltens (Einordnung Ihrer Stimme als positives oder ablehnendes Votum bzw. Enthaltung) und andererseits für die Berechnung der Anfechtungsfristen von Bedeutung (gegenüber den Abwesenden kann die Anfechtungsfrist solange nicht beginnen, wie diese keine Kenntnis vom Beschluss hatten, während bei einem bereits in der Versammlung zustande gekommenen Beschluss, diese Frist für die Anwesenden schon mit der Beendigung der Versammlung beginnen kann).

In der Rechtsprechung finden sich hier zum jetzigen Zeitpunkt zwei unterschiedliche Auffassungen

Wenn Sie allerdings teilweise anwesend und teilweise abwesend waren, wird die Einordnung schwieriger. Meiner persönlichen Auffassung nach sollte man Sie bezüglich derjenigen Beschlussgegenstände, die in Ihrer Anwesenheit besprochen wurden, wie einen anwesenden Eigentümer behandeln. Nach Verlassen der Versammlung, sollten Sie die Behandlung eines abwesenden Eigentümers erhalten.

Leider finden sich in der Rechtsprechung zum jetzigen Zeitpunkt unterschiedliche Auffassungen.

Teilweise wird vertreten, dass auch derjenige, welcher lediglich zu Beginn anwesend war, für die gesamte Versammlung als anwesend eingeordnet werden sollte. Nach Verlassen der Versammlung würden Sie dann, mangels konkreter Abgabe einer Für- oder Gegenstimme, so behandelt, als hätten Sie sich bezüglich der nachfolgenden Tagesordnungspunkte enthalten. Wer sich dann in der Versammlung nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten hat, rechtliche Maßnahmen gegen einzelne Tagesordnungspunkte zu ergreifen (sogenanntes «salvar el voto»), dem dürfte gemäß Artikel 18.3 LPH der Klageweg versagt bleiben.

Die Gegenauffassung vertritt wiederum den Standpunkt, dass auch im Laufe der Versammlung, Tagesordnungspunkt für Tagesordnungspunkt, die tatsächliche Teilnahme zu prüfen sei. Fehle es an dieser, könne der dann erst später abwesende Eigentümer, zum entsprechenden Zeitpunkt als solcher behandelt werden, und wie ein vollständig abwesender Eigentümer auch noch im Nachhinein, je nach Beschlussgegenstand, seine Stimme abgeben, oder unmittelbar klagen.

Auch wenn ich, wie bereits angesprochen, die zweite Auffassung für richtiger halte, sollte angesichts der beschriebenen Problematik, vorsichtshalber jeder Eigentümer bereits vor Beginn der Versammlung sicherstellen, dass er dieser vollständig beiwohnen kann, oder andernfalls ihr besser gleich ganz fern bleiben bzw. einen Vertreter bestellen. Wenn das vorzeitige Verlassen der Versammlung dennoch nicht vermeidbar ist, sollte das Stimmrecht, verbunden mit klaren Anweisungen, zumindest auf einen der anderen anwesenden Eigentümer übertragen werden, und entweder gegen die Vorschläge gestimmt werden, oder, bei Enthaltung, das Recht zur Anfechtung vorbehalten werden («salvar el voto»).

In jedem Falle müssen Sie wissen, dass Ihr Gespräch mit dem Hausverwalter die Anfechtungsfristen (drei bzw. zwölf Monate) in keinster Weise beeinflusst, da sie weder unterbrochen noch aufgehoben werden können. Es gilt deshalb zu beachten, dass eine gegebenenfalls durchzuführende Anfechtung fristgerecht erhoben wird. Es besteht durchaus die Möglichkeit einer erfolgreichen Anfechtung, wenn diese der Sache nach begründet ist.

Seit dem Sommer 2015 beschäftigen wir uns in dem zweisprachigen Magazin „La Guía“ mit Themen rund um das spanische Recht. Sowohl die veröffentlichten Artikel wie auch die beantworteten Leserfragen werden dabei vollständig in deutscher und spanischer Sprache wiedergegeben.

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Abogado & RA Ingmar Hessler

1973 in Frankfurt am Main geboren und aufgewachsen, ist er als deutscher Rechtsanwalt und spanischer Abogado, sowohl in Spanien wie auch in der Bundesrepublik zur Anwaltschaft zugelassen. Er berät und vertritt seine Mandanten aussergerichtlich wie gerichtlich in beiden Ländern. Er ist Mitglied der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, sowie Mitglied der Rechtsanwaltskammern Murcia und Madrid. Vor seiner Niederlassung als Anwalt absolvierte er zwei Postgraduiertenstudiengänge. An der Universidad ICAI-ICADE (Madrid) schloss er einen LL.M. und an der Universidad Autónoma de Barcelona einen M.B.A. ab. Nach Bestehen der staatlichen Übersetzerprüfung und Ernennung durch das spanische Aussenministerium ist Herr Hessler ausserdem seit dem Jahre 2004 als vereidigter Übersetzer und Dolmetscher tätig.

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